Der Klingeldraht - Deutschland's Hypothek der frühen 80er-Jahre

25. Februar 2021

Digitalisierung, so viel ist sicher, ist ein Thema, dass jeden Bürger in Deutschland in vielfacher Hinsicht betrifft. Der Ort, an dem sie vor allem jetzt in der Pandemie wirksam wird, ist die direkte Lebensumgebung des Menschen, also das Dorf oder die Stadt in der die Bürger ihre Wurzeln haben, aktuell ihr (Home-Office) Leben leben. Als Basis für eine gute Standortperspektive muss demnach die Konnektivität durch schnelle und belastbare Datenleitungen gesichert sein, sonst drohen erst die Firmen und dann die Bewohner abzuwandern.

Unter dem Brennglas wird jetzt deutlich, dass Netzinfrastrukturen für Mobilfunk und Internet nach wie vor völlig unzureichend sind, da bleiben auch darauf aufzusetzende Digitalisierungsprojekte, wie z.B. im Bereich der Bildung, auf der Strecke. Erschwerend kommen Politiker dazu, die viel Geld in Maut- und Autobahn GmbH-Gründungsprojekten investieren, anstatt den Netzausbau dramatisch zu fördern und einige Kultusminister, die als Technologieverweigerer bekannt sind. Zusammen mit einer Bevölkerungsstruktur im starken demographischen Wandel entstehen Digitalisierungsrückstaus, die schnell und zügig behoben werden müssen.

Aber warum ist das eigentlich so, wie konnte es dazu kommen?

Einer der Ausgangspunkte für eine weitreichende Entscheidung ist in den frühen 80er-Jahren zu suchen. Wir lernen, mit einer der größten Hypotheken umzugehen, die Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung (immer noch) mit sich trägt und die auf folgende Formel gebracht werden kann: Es liegt noch immer zu viel Kupfer und zu wenig Glasfaser im Boden.

Zwar liegt quer durch die Republik ein Glasfasernetz und auch die Verbindung an die Hauptverteilerkästen besteht oftmals aus Glasfaser. Das eigentliche Hindernis besteht jedoch darin, was quasi schon Eingang in den Volksmund genommen hat: der „Anschluss zur letzten Meile“. Der Anschluß mit dem "Klingeldraht".

Diese Hypothek, reicht bis zum Beginn der 80iger Jahre zurück. Bis zu dieser Zeit war alleine die Deutsche Post befugt, Kabelleitungen zu verlegen. Der damalige Bundespostminister im Kabinett Helmut Kohl, Christian Schwarz-Schilling, setzte sich genau dafür ein, damit private Firmen die Post bei der Infrastrukturaufgabe unterstützen konnten. "Er werde dafür sorgen, so erläuterte der Minister das Klassenziel, dass die erforderliche Technik "mit Volldampf" bereitgestellt werde. Und da die Post die Republik nicht rasch genug verkabeln kann, möchte Bonns oberster Kabelleger möglichst viele Private beteiligen (Spiegel.de 1982).

Schlimm wirkt aus heutiger Sicht, dass der Minister offensichtlich auf das falsche Pferd setzte: Die Post könne nämlich vorerst nur herkömmliche Kupferkabel verlegen, während die Technologie der Zukunft, das Glasfaserkabel, zwar entwickelt sei, aber bis etwa 1986 noch Betriebs- und Anwendungstests durchlaufen müsse. "Schwarz-Schillings riskante Entscheidung, die Postmilliarden jetzt noch in Kupfernetze zu stecken, stieß sogar im fernen Japan auf Verwunderung. Dort werde es‚ als langfristig falsche Weichenstellung gewertet", berichtete "Blick durch die Wirtschaft", das ökonomische Fachblatt der FAZ, "daß man anscheinend in Deutschland am Kupferkabel festzuhalten gedenkt und die neuen Systeme nicht auf die Glasfasertechnik abstellt" (Spiegel.de 1983)."

Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hängt jetzt im Pandemie- und Superwahljahr 2021 entscheidend davon ab, ob in Sachen Digitalisierung ein Ruck sowohl durch die Bevölkerung als auch die deutschen Unternehmen und behördlichen Institutionen geht. Die politischen Programme werden mit Sicherheit daraufhin geschärft sein, hier gilt es ganz genau hinzuschauen. Eine Weichenstellung muss stattfinden. Am Ende entscheidet der Wähler über die Zukunftsfähigkeit & Innovationskraft dieser und folgender Generationen.

Die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Krise lässt aus der Erfahrung der vergangenen neun Monate "Digitalisierungsprozesse" allen Ortens als alternativlos erscheinen. In der Regel sind Menschen jedoch, egal ob sie in der Verwaltung oder privaten Unternehmen arbeiten, träge und ziehen in der Regel die Sicherheit, Veränderungen vor. In dem Moment, in dem die Veränderung jedoch ein höheres Maß an künftiger Sicherheit bietet, fallen häufig die Widerstände gegenüber tiefgreifenden Veränderungen in sich zusammen.

Dieser Moment ist gekommen.

Weitere Hintergründe Zum Thema haben wir mit viel Leidenschaft recherchiert und leicht verständlich aufgeschrieben.

Dafür passt unser Buch "Die digitalen Macher", dass ich gemeinsam mit Herbert Stoffels geschrieben habe, gut in diese Zeit des Wandels (Widerstand & Wandel - zwei Seiten einer Medaille - siehe auch Kapitel 3). Herbert Stoffels ist Ex-Journalist und seit nunmehr über 20 Jahren Kommunikationsexperte und auf die Beratung von komplexen Kommunikationssituationen spezialisiert (Change, M&A, Restrukturierungen etc.). Ich selbst bin wiederum seit langen Jahren aktives Mitglied der „Digital Community“ in Deutschland. Zusammen haben wir uns, jeweils aus der Richtung unserer jeweiligen Fachexpertise kommend, dem Thema Digitalisierung genähert. Unser Buch macht aus, dass wir mit Experten und Vertretern der unterschiedlichsten Organisationen über Digitalisierungsprojekte gesprochen haben, mit Bürgermeistern, Landräten, Universitätsprofessoren, Managern aus etablierten Unternehmen, Social Entrepreneuren, Startups, Vertretern des Gesundheitssektors, Sportvereinen etc. Unser Ansatz war, herauszufinden, ob es Muster gibt, die vielfältigen Widerstände in den unterschiedlichen Organisationen gegen Digitalisierungsprojekte zu erkennen und diese zu knacken. Und ja, wir haben ein paar Antworten gefunden, die wir gerne mit Euch teilen wollten. Vielleicht könnt Ihr die Erkenntnisse auch für Eure Arbeit nutzen. Wir sind natürlich auf Euer Feedback sehr gespannt! 😇

ps: bei Interesse meldet Euch gerne und wir lassen Euch ein Rezensionsexemplar zukommen!

Anhang
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