„Papier und Bleistift haben ausgedient“ - Detlef Krause, Vice President ServiceNow

21. Juni 2021

Im „Digitalen-Macher”-Gespräch legt Detlef Krause, Vize-Europa Chef des Cloudspezialisten ServiceNow, die Chancen und Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft in puncto Digitalisierung offen und erläutert wie Politik, Verwaltung und Unternehmen die richtigen Learnings aus der Corona-Krise ziehen können.

Zur Person

 

Detlef Krause ist 53 Jahre alt, hat zwei erwachsene Kinder. Er stammt aus Duisburg in NRW und lebt und arbeitet in München. „Ich liebe München, die Berge und mag alles was schnell ist, die Berge rauf und runter mit allem was man sich so vorstellen kann.“ Sein beruflicher Werdegang ist wie folgt: Er blickt auf eine langjährige Corporate Erfahrung in Führungsrollen bei Microsoft, SAP und Salesforce zurück. Seit zweieinhalb Jahren ist er bei ServiceNow und hier verantwortlich für EMEA Central, also Deutschland, Österreich, Schweiz und Zentral-Europa mit einem Schwerpunkt auf Deutschland, um insbesondere die Wahrnehmung von ServiceNow im Markt stark auszubauen. Zudem engagiert er sich bei verschiedenen Charity Tätigkeiten, wie z.B. aktuell beim CIO Charity Run etc.

 

Ihr seid zu Beginn des Jahres in Deutschland durch das Thema „Impfen und Digitalisierung“ bekannter geworden. Wie habt ihr es geschafft, den hochkomplexen Impfmanagementprozess in ein digitales Format zu gießen?

 

Detlef Krause: Wir haben uns sehr früh in der Pandemie damit beschäftigt, wie wir Unternehmen nicht nur mit digitalen Workflows helfen, sondern wie wir die jetzt nötigen Prozesse bereitstellen können. Am Anfang war das nicht der Impfprozess, sondern unsere „Safe Workplace“ Applikationen. Damit können unsere Kunden den Mitarbeiterfluss zurück ins Unternehmen sicher steuern. Nach dem ersten Lockdown gab es neue Anforderungen an Unternehmen, Mitarbeiter zählen, zu wissen wo sich die Mitarbeiter befinden,wer bereits einen Healthcheck gemacht hat etc. Darauf haben wir uns zuerst fokussiert und ich glaube, es war wichtig, sich mit diesem Thema auseinander zusetzen. Darauf aufbauend haben wir uns in der Tat mit dem Impfmanagement beschäftigt. Auch das Impfmanagement ist nichts anderes als ein Workflow.

 

Wie umreißt ihr den Impfmanagementprozess im öffentlichen Sektor?

Detlef Krause: Betrachtet man den Impfprozess heute im öffentlichen Sektor, dann ist das Produkt in diesem Prozess ganz klar der Impfstoff. Dieses Produkt wird an Institutionen geliefert, es werden Termine vereinbart, Patienten reisen an und lassen sich impfen. Dahinter steht ein manueller Aufwand, das Impfen. Aber alles was vorher passiert, ist nichts anderes als ein intelligenter Workflow. Wir haben diese Herausforderung angenommen und uns den Impfprozess genau angesehen. Dazu zählt die Impfstoffauslieferung, die Bereitstellung für die Mitarbeiter, die Terminierung und der richtige Impfstoff. In NRW haben wir für die Hälfte der Bevölkerung des Landes, also für acht Millionen Menschen, über die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, das Impfmanagement komplett digitalisiert. Auch das Kanzleramt ist dadurch auf uns aufmerksam geworden, die Geschwindigkeit ist entscheidend. Wir haben die Lösung gemeinsam mit unserem Implementierungspartner T-Systems Anfang März positioniert und nach nur 6 Wochen sind wir in den Go-Live gegangen. Wer sich mit Software beschäftigt, kann das zeitlich einordnen. In den ersten Stunden wurden mehr als 150.000 Termine vergeben und am Ende eines Tages hatten wir 350.000 Termine, die auf einem stabilen System generiert wurden. Hohe Komplexität, nicht aber für den Anwender.

 

 

Wofür steht ServiceNow generell und was sind die Alleinstellungsmerkmale?

 

Detlef Krause: Die Vision von ServiceNow ist die Arbeit für alle zu vereinfachen. Klingt erstmal sehr generisch, bietet Unternehmen und Mitarbeitern aber eine außergewöhnliche Nutzererfahrung, und zwar die, die sie bereits alle aus dem privaten Konsum kennen, z.B. mit einem Smartphone und einem intelligenten Applikations-Ökosystem. Nichts anderes tun wir mit unseren digitalen Workflows indem wir erstklassige Kunden- und Mitarbeitererfahrung generieren – und dies im Enterprise Bereich. Das heißt, wir bieten Mitarbeitern einfache Lösungen für Probleme, die sich in ihrer täglichen Arbeit auftun: ob es ein IT-Problem, ein Rechtsproblem oder ähnliches ist, unsere Plattform führt alles funktionsübergreifend zusammen.

 

Wo siehst Du als Vertreter eines amerikanischen Software-Unternehmens die größten Herausforderungen aktuell und auch für die kommenden Jahre in Deutschland?

 

Detlef Krause: Ich glaube, dass die Digitalisierung mehr denn je eine Chance als ein Problem ist. Na klar, es ist noch ein Weg zu gehen. Die digitale Wirtschaft ist nicht dort, wo sie sein sollte. Die digitale Ökonomie ist immer noch abgeschlagen. ServiceNow hat dazu selbst auch Umfragen gemacht. Wir sind bei dem Thema Breitbandnetzwerk hinten sowie bei dem Thema Software-Assimilierung und einfach nicht schnell bei der Adaption von Cloud-Produkten, das muss man deutlich sagen. Deutschland hat sich intensiv mit den Themen Datenschutz und Datensicherheit beschäftigt und andere Nationen sind an uns vorbeigezogen. Der öffentliche Sektor hat einen nicht unbedeutenden Anteil daran, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung hinten liegt. Das wird sich jetzt ändern, denn durch die Covid-19-Pandemie hat sich der Druck auf Behörden und Organisationen spürbar verstärkt - "Papier und Bleistift" als Symbol für manuelle Prozesse, haben keine Chance mehr. Die Pandemie schafft es, diesen Digitalisierungsgrad zu treiben. Um auf das Impfmanagement als Beispiel zurückzukommen: Wir glauben, dass Wunsch und Wille da sind und auch die Durchsetzungsfähigkeit, sonst hätten wir unser Impfprojekt in Westfalen-Lippe nicht gemeinsam mit den Behörden in nur sechs Wochen realisieren können. Also für mich ist es eine Chance, für uns alles ist es eine Chance und vor allem natürlich auch für unsere gesamte Industrie.

 

Zum Thema Datenschutz, gab es denn Fragen wo der Cloudserver von Euch steht?

 

Detlef Krause: Die gab es natürlich und wir können sie leicht beantworten. Unsere beiden Cloud-Rechenzentren sind in Deutschland und damit bilden wir die lokalen Anforderungen in Europa und Deutschland ab.

 

Gibt es Beispiele aus anderen Ländern von denen Deutschland lernen könnte?

 

Detlef Krause: Es gibt einige internationale Beispiele, obwohl ich immer gerne von Deutschland spreche. Ist der Industrialisierungsgrad in Deutschland hoch? Ja, in vielen Industrien, die unsere Kernindustrien sind. Ist der Industrialisierungsgrad bei IT & Digitalisierung hoch? Eigentlich nicht. Trotzdem gibt es viele positive Beispiele. Das Impfmanagement haben wir bereits thematisiert. Anderes Beispiel bei der Deutschen Bahn: Wir haben mit DB Systel ein Workflow-Management für Schließfächer an Bahnhöfen entwickelt. Daraus ist das Projekt „Box -die Abholstation“ entstanden. Schließfächer, die zu intelligenten Postboxen umgewandelt wurden.  Ich finde, wir müssen lernen, stolz auf das zu sein, was wir in den letzten Jahren erreicht haben. Es werden täglich große Sprünge gemacht. Ich bin in der Cloud-Industrie seit ich denken kann. Wenn ich die letzten 3-5 Jahre betrachte und was Microsoft, AWS, ServiceNow, Salesforce und andere Unternehmen in Deutschland erreicht haben, dann ist das schon großartig. Deutsche Unternehmen sind pragmatisch und erkennen die Notwendigkeit: Sie erteilen amerikanischen Firmen im Cloud-Geschäft Aufträge, weil es für sie Sinn macht.

 

Mit Blick in die Zukunft, wir sind auf dem Peek der Plattformökonomie. Wird die Plattformökonomie zukünftig von Blockchain orientierten Business-Konzepten abgelöst?

 

Detlef Krause: Ja, diese Business-Konzepte werden kommen. Aber ich glaube auch, wir sind noch lange nicht fertig mit der Plattformökonomie. Ein Beispiel: Wir nennen uns gerne die Plattform der Plattformen, weil wir einen hohen Integrationslayer haben, mit einem Datenmodell arbeiten und einer Architektur arbeiten. In Gesprächen mit potentiellen Kunden haben wir immer die Situation, dass wir nicht alleine sind. Da sind Salesforce, AWS, Microsoft und weitere. Und ich glaube, Plattformökonomie ist, wenn der Return on Investment auf den eingesetzten Plattformen auch wirklich realisiert wird. Das gelingt nur, wenn die Skalierbarkeit der Nutzung entsprechend gegeben ist. An diesem Punkt ist der Markt aber noch längst nicht angekommen. Das Zusammenführen von Plattformen, die Workflow-Integration und die Digitalisierung, das muss in vielen Unternehmen erst noch stattfinden. Wenn das passiert ist, dann glaube ich wird die Blockchain-Technologie skalieren.

 

Die große Frage, auch in dieser Corona-Zeit: was passiert zukünftig mit den Arbeitsplätzen?

 

Detlef Krause: Gute Frage. Ich nehme zuerst mal unser eigenes Ökosystem. Wir sind in den letzten Jahren als Unternehmen um ca. 7.000 Arbeitsplätze gewachsen. Mir ist kein Beispiel bekannt, in dem der Kunde gesagt hat, wir digitalisieren Workflows und sind als Unternehmen so schnell, dass wir auf 100, 500, oder 1.000 Mitarbeiter verzichten können. Mir sind sehr wohl Unternehmen bekannt, die gesagt haben, wir sind immer noch intelligente Wissensarbeiter, wir haben jetzt mehr Zeit die richtigen Dinge zu tun. Ich will nicht sagen, dass es nicht passiert ist. Aber mir ist nicht ein Projekt bekannt, in dem Arbeitsplätze zugunsten von schnelleren oder besseren IT-Workflow-Lösungen verloren gingen.

 

Wird Deutschland nach der Corona Pandemie wie Phönix aus der Asche kommen?

 

Detlef Krause: Die Frage würde ich zweiteilig beantworten wollen. Ich habe sehr lange den Eindruck gehabt, dass das so ist. Deutschland hat in der ersten Phase des Lockdowns sehr viel richtig gemacht und ich glaube auch, dass wir über den Sommer 2020 sehr viel richtig gemacht haben. Unsere Wirtschaft ist schon ein Stück zurückgegangen, aber absolut nicht so wie es prognostiziert wurde. Wir werden wie Phönix aus der Asche kommen, wenn wir es jetzt schaffen, die Pandemie strukturell besser zu managen. Das ist eine gesellschaftliche Aussage von mir keine kommerzielle.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass in der Politik klarer agiert werden muss und wir alle als Bürger besser abgeholt werden müssen. Dann glaube ich, dass wir sehr gestärkt aus der Krise kommen können. Wir achten immer noch darauf, Inzidenzwerte unten zu halten, Unternehmen weiterhin am Laufen zu halten, und ganz wichtig in einer modernen Gesellschaft, die Todesfallzahlen im Auge zu behalten. Wenn das gewährleistet wird, dass wir in diesem Bereich wieder konsequenter und vor allem klarer sind, dass jeder verstehen und nachvollziehen kann, was passiert, glaube ich, werden wir wie Phönix aus der Asche kommen. Und unser Geschäft spricht ein Stück weit dafür. Wir wachsen in Deutschland überproportional zum globalen Wachstum von ServiceNow.

 

Hast Du eine Empfehlung, wie die kommende Bundesregierung das Thema Digitalisierung verankern sollte?

 

Detlef Krause: Ich bin kein Politiker, aber das Wichtigste was ich empfehle, ist, keine Berufspolitiker auf wichtige Posten zu setzen, sondern erfahrene Wirtschaftsmanager, die wissen, wie es geht. Es braucht klare Kompetenz und Empowerment und jemand, der das wirklich versteht und sich rauszieht aus der Gremienarbeit und auch mal ein paar kritische Fragen stellt.

 

Vielen Dank für das Interview Detlef Krause!

Anhang
zurück